US-GerichtJulian Assange ist verurteilt, aber frei

Der WikiLeaks-Gründer hat ein Geständnis in einem US-Gerichtssaal auf Saipan im Westpazifik abgelegt und ist nun auf dem Heimweg nach Australien.

Männer im Anzug
Assange verlässt das US-Gericht in Saipan. – Alle Rechte vorbehalten Stella Assange

Julian Assange ist frei. Der Gründer von Wikileaks bekannte sich am Mittwoch vor einem US-Gericht schuldig, gegen den U.S. Espionage Act verstoßen zu haben, und durfte daraufhin den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Es war der letzte Akt in einem Deal, den Assange geschlossen hatte, um nach Australien und in sein Leben zurückzukehren, und der sich jetzt auf einer abgelegenen Insel im Westpazifik abspielte.

Assange erschien vor Gericht mit seiner Anwältin Jennifer Robinson und Kevin Rudd, dem australischen Botschafter in den USA. Er bekannte sich schuldig und konnte wenige Stunden später in ein Flugzeug Richtung Australien steigen, das derzeit auf dem Weg nach Canberra ist. Für 21:15 Uhr (13:15 Uhr CEST) hat WikiLeaks dort eine Pressekonferenz angekündigt, bei der sich auch Assange das erste Mal zu seiner Freilassung äußern will.

„Heute ist ein historischer Tag“, sagte seine Anwältin Jennifer Robinson. „Ich hoffe, dass die Tatsache, dass es uns heute gelungen ist, Julian Assange trotz aller Widrigkeiten und gegen eine der mächtigsten Regierungen der Welt freizubekommen, allen weltweit inhaftierten Journalisten und Verlegern Hoffnung gibt.“ Mit Assanges Freilassung gehe ein Fall zu Ende, „der als die größte Bedrohung zum ersten Zusatzartikel (der US-Verfassung) im 21. Jahrhundert anerkannt wird“.

Freilassung als Ergebnis „entschlossener Arbeit“

Der Deal, der Assange nach mehr als fünf Jahren Haft im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in die Freiheit führte, sieht vor, dass Assange sich schuldig bekennt. Die dafür verhängte Gefängnisstrafe von fünf Jahren gilt aber als bereits abgegolten, so dass er sofort nach Australien weiterreisen kann.

Assange ist australischer Staatsbürger, der Premierminister Anthony Albanese setzt sich seit Jahren für seine Freilassung ein. Vor dem Parlament sagte er, seine Regierung habe in den vergangenen zwei Jahren alle Kanäle genutzt. Assanges Freilassung sei das Ergebnis vorsichtiger, geduldiger und entschlossener Arbeit. „Ich bin froh, dass er nun auf dem Weg nach Australien ist, um hier wieder mit seiner Familie zusammenzutreffen“, sagte Albanese.

WikiLeaks schreibt, dass die jetzige Freilassung „das Ergebnis einer weltweiten Kampagne“ sei, getragen von Basisorganisationen, Aktivist:innen für die Pressefreiheit, Gesetzgebern und führenden Persönlichkeiten aus dem gesamten politischen Spektrum. Das hätte erst den „Raum für eine lange Verhandlungsphase mit dem US-Justizministerium geschaffen“.

Mehr als fünf Jahre lang hatte Assange in Großbritannien dafür gekämpft, nicht an die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm bei einer Verurteilung eine theoretische Höchststrafe von 175 Jahren gedroht hätte. Wegen seines Gesundheitszustandes war seine Auslieferung zwischenzeitlich abgelehnt worden. Die letzten Gerichtstermine hatte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr besuchen können.

Frei nach 15 Jahren

Die Kosten für seinen Charterflug auf die Marianen und weiter nach Australien muss Assange offenbar selbst bezahlen. Seine Ehefrau Stella Assange hatte auf X einen Spendenaufruf veröffentlicht, um die Kosten zu decken. Demnach muss Assange die 520.000 Dollar nach seiner Ankunft an den australischen Staat zurückzahlen.

Mit Assanges Freilassung geht ein 15 Jahre dauernder Rechtsstreit zu Ende. Sieben Jahre verbrachte er in der ecuadorianischen Botschaft in London. Nach seiner Verhaftung saß er dann mehr als weitere fünf Jahre in Belmarsh. Assange war in den USA wegen Spionage in 17 Fällen und des Vorwurfs des Computermissbrauchs angeklagt, weil seine Plattform WikiLeaks im Jahr 2010 als geheim eingestufte Militärdokumente aus den US-Kriegen in Afghanistan und Irak sowie zahlreiche diplomatische Depeschen veröffentlicht hatte. Seine Unterstützer, darunter Organisationen wie Reporter ohne Grenzen, sehen Assange als Journalisten, der mutmaßliche Kriegsverbrechen aufdeckte. Die US-Regierung beharrte auf ihrem Standpunkt, Assange sei über die Grenzen des Journalismus hinausgegangen.

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5 Ergänzungen

  1. Es hätte mich ehrlich gesagt auch nicht gewundert wenn er nach dem Verlassen des Gerichts (nun auf US-Gebiet) gleich wieder verhaftet geworden wäre.

    Aber: Hat er sich jetzt für alle 17 Fälle die im Vorgeworfen wurden Schuldig gesprochen? Mir ist so als ob er in dem Fall mit deutlich längerer Strafe zu rechnen hätte.

    Wenn ja wäre die Sache erledigt da es ja heißt niemand könne wegen des gleichen Vergehens ein 2. mal angeklagt werden.
    Aber wenn nicht, wäre die Sache evtl. doch noch nicht ausgestanden und eine neue (Trump?) Regierung könnte erneut versuchen ihn ausliefern zu lassen – wegen der anderen evtl. wieder eröffneten Anklagen.

    Dann ist die Frage wohl was den Beteiligten Wichtiger ist. Den USA die Unterstützung Australiens gegen China, Australien die Freundschaft der USA – oder die Sicherheit eines ihrer Bürger.

    Kurz: Die Sache könnte noch nicht endgültig erledigt sein! Und am Schaden den die ganze Angelegenheit dem Journalismus an sich zugefügt hat ändert das auch nichts mehr. Der dürfte existent sein und das auch bleiben.

  2. Der Deal reicht nicht, um endlich auch Edward Snowden nach Hause zu bringen.
    Denn als schuldig verurteilt wurde Assange nun ja leider nicht für verantwortungslosen Umgang mit erhaltenen Informationen ( das hätte Snowden nicht getroffen ), sondern für „illegale Beschaffung“, – einen manchmal notwendigen Teil des Journalismus ( gegen Machtmissbrauch muss Medienfreiheit auch regelwidrige leaks zulassen, wenn die Verhältnismäßigkeit dabei gewahrt ist, Guantanamo Sichtbarmachung: ja, Hillary Clintons emails: nein).

    Ich wünsche mir, dass unser Justizminister jetzt die von Dr. Robert Brockhaus vorgeschlagenen Anpassungen zu Transparenz / Geheimnisschutz umsetzt, damit bei uns Machtmissbrauch verliert gegen investigativen Journalismus, => damit unsere lange Geschichte von Carl von Ossietzky bis Edward Snowden endlich ein happy end bekommt,
    und natürlich wünsche ich mir, dass Edward Snowden nach Berlin umzieht.
    *** „Don’t kill the messenger“ ***

    Bis dahin aber bleibt das der Sommer, in dem Julian Assange frei gelassen wurde von den USA !, – in die er nun wohl niemals mehr wird reisen können…
    Es ist alles so seltsam bei uns !

    1. *** „Don’t kill the messenger“ ***

      An odor may be considered to be a message that does not require any acknowledgement. People tend to avoid bad odors but are drawn to odors that they associate with good food. The acknowledgement of the receipt of the odor or scent is not required and indeed it may be the height of discretion to totally ignore some odors. On the other hand, it is usually considered good civility to acknowledge the prowess of the cook merely from the ambiance wafting from the kitchen. Similarly, various species have been found to utilize odors to attract mates. One species of moth uses this scent to find each other. However, it has been found that bolas spiders can mimic the odor of the female moths of this species. This scent will then attract male moths, which will follow it with the expectation of finding a mate. Instead, when they arrive at the source of the scent, they will be eaten. This is a case of a false message being sent out with inimical intent.

      https://datatracker.ietf.org/doc/html/rfc3164#section-6

  3. Nun „frei“ wird er sicherlich nicht sein, frei ist er nur wenn Joe Biden ihn begnadigen würde. Ein Schritt der längst überfällig wäre. Assange hat seine Strafe doch schon längst verbüßt und das viel schlimmer als wenn er im Gefängnis gelandet wäre. Leben kaputt, Gesundheit kaputt und man staune das die Beziehung das ganze Verfahren überlebte.

    Das sollte Abschreckung genug sein nicht gleiches zu tun, aber der Internationale Druck ist eben nicht sehr groß. Aber wer weis vielleicht überrascht Joe Biden uns noch und mich würde es auch nicht Wundern wenn die US-Regierung daran nicht beteiligt gewesen wäre. So viel zu der Unabhängigkeit von Gerichten…

    Für Snowden besteht wenig Hoffnung und seine Lage ist für die US-Regierung nicht wirklich unglücklich. Er sitzt ja quasi schon im Gefängnis.

  4. Assange ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn ich mir ansehe, wie viele Polizei-, Justiz- und Geheimdienstmittel gegen Oppositionelle eingesetzt werden (siehe die Verfolgung der Cum-Ex Journalisten, von Umweltschützern, Repressionen gegen Polizeikritische Journalisten oder die „kreative Rechtsanwendung“ gegen Indymedia), und mir dann ansehe, wie absurd hoch die Strafmaße gegen all jene sind, die den Staat kritisieren, dann wird mir sofort klar,

    der Staatsterror ist weitaus umfangreicher.

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